Häufig werde ich gefragt, wie ich zu meiner beruflichen Einstellung gelangte, insbesondere in der "Arbeit" mit Menschen mit schwersten Einschränkungen nach Schlaganfall oder mit fortgeschrittener Demenzerkrankung.
Hier einige Gedanken dazu
Durch meinen
Beruf als Krankenschwester komme ich vielfältig in Berührung mit Menschen mit
Behinderung bzw. Einschränkung jeglicher Art. Als Krankenschwester war mein
Denken und Handeln geleitet aus der Sicht von Kranksein und Hilfebedarf. Je
stärker die Einschränkung umso defizitärer die Denkweise und umso abhängiger
mein Gegenüber, oftmals gepaart mit der Vorstellung was ich wohl in dieser
Phase tun würde. Im Nachhinein finde ich den Ansatz der Auseinandersetzung
nicht verkehrt, nur damals blieb ich, bedingt durch meine Denkweise in der
Abhängigkeit, die ich erlebte,
stecken und diese wollte und will ich nicht. Es gab eine Zeit, dass ich dieses Abhängigkeitserleben
ganz schwer aushielt und mit meinem Beruf haderte, vor allem, als scheinbar
immer weniger Zeit zur Verfügung stand, unser Tun immer rationeller wurde.
Für mich und
meine Berufsausübung zum Glück lernte ich das Förderkonzept Basale
Stimulation®, beheimatet in der Sonderpädagogik, kennen. Die darin verankerte Haltung und Sichtweise eröffnete
mir einen ganz anderen Zugang. Im Förderkonzept B.S. wird davon ausgegangen, dass
jeder Mensch, unabhängig seiner Einschränkung, Freiheit, Unabhängigkeit und
Selbstbestimmtheit möchte. Ja, das dies ein elementares Grundbedürfnis ist, das
wir schon im Säuglingsalter entwickeln, wenn nicht sogar als Basis mit auf die
Welt bekommen. Das Umfeld ist mit entscheidend in welcher Art und Weise Fähigkeiten genutzt werden können. Entwicklung
geschieht aber vor allem selbstorganisierend im System und eigenständig. Darum
brauchen diese Menschen statt Mitleid (und Diskussionen über den Lebenswert in
der Situation) Menschen, die ihnen Zutrauen vermitteln und ein Leben in Eigenständigkeit mit der notwendigen
Unterstützung ermöglichen. Das Konzept wurde mit seinen Prinzipien und Methoden
in die Pflege übertragen und als Pflegeförderkonzept weiterentwickelt.
In meinem
Beruf bedeutet dies, pflegerische Tätigkeiten so zu gestalten, dass diese zu
einem gemeinsamen Erleben und Miteinander in Eigenständigkeit und
Mitbestimmung werden.
Früher musste
der Patient mir zur Verfügung stehen, damit ich meine Arbeit tun konnte, bei
Ablehnung oder gar Verweigerung war der Patient "schuld", dass ich meine Arbeit
nicht erledigen konnte. Mir kam gar nicht die Idee, dass ich mit meinem Tun in
die Privatsphäre eines Menschen eindringe, das meine Erwartungshaltung ein zur
Verfügung stehen meines Gegenübers voraussetzte und diesem das Recht der
Mitbestimmung erst gar nicht zugestand - unbewusst grenzte meine Haltung und
mein Tun an Überheblichkeit.
Für mich hat mein
Beruf durch das Förderkonzept und vor allem die damit verbundene Haltung an
Perspektive gewonnen. Es bedeutet eine Herausforderung – für beide Seiten, immer
wieder aufs Neue einen Weg zueinander zu finden, aufeinander „hören“, sich entdecken,
sich begegnen. Der Lohn ist gegenseitige Wertschätzung, partnerschaftliches
Erleben, ein Miteinander und Begegnung von Mensch zu Mensch – und oft eine
unvorhersehbare Entwicklung.